von Edward Poniewaz, Geschäftsführer der sozialfinanz.de GmbH

Nachdem Teil 1 dieser Reihe Auswirkungen der Plattform-Ökonomie auf die Sozial- und Gesundheitswirtschaft beschrieb, beleuchtet Teil 2 konkrete Vorhaben und Angebote aus der Branche.

Auch die Sozial- und Gesundheitswirtschaft hat sich auf den Weg gemacht, um die Potenziale der Plattform-Ökonomie für sich zu nutzen, indem Entscheider diese Veränderung nicht nur passiv begutachten, sondern aktiv mitgestalten. Bereits heute existieren einige Portale bzw. sind in Planung, die einen Teil der branchenspezifischen Wertschöpfungskette abbilden. Drei seien an dieser Stelle exemplarisch kurz vorgestellt:

„mitunsleben GmbH“ – Pfadfinder im Pflegedschungel

Im November 2018 gründete sich mit Beteiligung der Stephanus-Stiftung in Berlin das Start-up „mitunsleben“ aus insgesamt 15 Gesellschaften. Zu ihnen gehören neben der Stephanus-Stiftung beispielsweise auch die Diako Thüringen gGmbH oder die Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.

Die selbst formulierten Ziele des Start-ups: den „Pflegedschungel durchbrechen“ und „dass bundesweit Menschen, die Assistenz, Pflege oder Unterstützung benötigen, die am besten passenden Dienstleistungsangebote finden und leicht in Anspruch nehmen können“, so formuliert es die Stephanus Stiftung. Dafür arbeitet das Portal gemeinsam mit Angehörigen, Betroffenen und Leistungserbringern an entsprechenden Lösungen und versteht sich als „Plattformen- und Brücken-Bauer für eine lebenswerte Zukunft“.

“Im Austausch mit den Leistungsträgern der Sozial- und Gesundheitswirtschaft liegen die größten Potenziale.” Edward Poniewaz

Wie möchten die Beteiligten das erreichen? Durch die Konstruktion eines digitalen Ökosystems, in dem zielgruppengerechte Anlaufstellen durch verschiedene Plattformen existieren. Denn neben dem Portal „mitunsleben“ sind die weiteren Zugänge „mitpflegeleben.de“, „mitbehinderungleben.de“ sowie „mitfamilieleben.de“ geplant. Auf dieser Grundlage erhebt das geplante Ökosystem „mitunsleben“ für sich den Anspruch, „ein bundesweites Informations- und Vermittlungsportal für soziale und pflegerische Dienstleistungen zu sein“. Interessenten suchen nach Eingabe ihrer konkreten Wünsche ein passendes Angebot aus bzw. vergleichen erhaltene Angebote. Dabei kontaktieren die Suchenden die mitwirkenden Dienstleister direkt und bewerten diese im Nachgang. Auch eine persönliche Beratung bietet die Plattform an, speziell für die Themen Pflege, Versorgung und Unterstützung daheim. Auf Wunsch kann ein „Digitaler Berater“ – ein von Pflegeprofis entwickeltes Programm – hinzugeschaltet werden, der den Nutzer zu den Angeboten führt. Generell ist die Gründung des Start-ups auf das sich ändernde Nutzungsverhalten der Kunden in der Pflegebranche zurückzuführen. Da mittlerweile nahezu jede Dienstleistung im Internet zu finden ist, ist die Bereitstellung einer auf den Endnutzer ausgelegten Portallösung, die den Fokus auf konkrete Dienstleistungen in der Gesundheits- und Pflegebranche legt, nur eine logische Konsequenz. Endkunden sollen ab November 2019 auf die Leistungen zugreifen können.

„sozialfinanz.de“ – das erste Finanzierungsportal für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft

Was bis zum Jahr 2018 noch nicht existierte, war ein auf die Sozial- und Gesundheitswirtschaft spezialisiertes Finanzierungsportal, das es sämtlichen Leistungserbringern ermöglichte, viele Banktermine vor Ort zu vermeiden, um notwendige Vergleichsangeboten einzuholen. Das unabhängige Start-up „sozialfinanz.de“ erarbeitet und organisiert Finanzierungslösungen für Unternehmen, Verbände, Stiftungen sowie andere Organisationen und stellt den Kontakt zu potenziellen Kreditgebern her.

Das Angebot richtet sich an Betreiber und Investoren, die ein Vorhaben in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft planen. Dies können etwa eine Sanierung, eine Renovierung bzw. der Ausbau eines Bestandsgebäudes sein oder die Beschaffung von Betriebsmitteln. Der Mehrwert des Portals: Bereits eine Kundenanfrage genügt, um mehrere Finanzierungspartner gleichzeitig anzusprechen, die gleichberechtigte Angebote abgeben können. Denn das Unternehmen leitet die anonymisierte Anfrage an alle Partner weiter, deren Kreditstrategie zum jeweiligen Kundenvorhaben passt. Nach Prüfung auf Plausibilität und Qualität durch „sozialfinanz.de“, erhalten Kunden die Angebote der Finanzierungspartner und können die Konditionen vergleichen. „sozialfinanz.de“ vereint in sich das Know-how sowohl über die Sozial- und Gesundheits- als auch die Finanzwirtschaft. So ist es dem Portal möglich, an der Schnittstelle dieser Branchen zu operieren und beide Seiten zu unterstützen. Finanzierungskunden können das Portal kostenlos und unverbindlich nutzen.

„sociallook – Helfen 4.0“

Die Onlineplattform „sociallook“ möchte Menschen nach eigener Aussage dabei helfen, das deutsche Sozialsystem noch effizienter zu nutzen. Initiiert wurde das Projekt vom Nordhäuser HORIZONT e. V. und wird durch das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft gefördert. Das Ziel ist die Bereitstellung einer Plattform, die „hilfebedürftigen Menschen mit dem gesamten Spektrum von Behörden, Einrichtungen, Trägern oder Institutionen digital miteinander verknüpft“. An dieser Stelle sehen die Betreiber großen Nachholbedarf. Insbesondere soll den Klienten der Umgang mit wichtigen Dokumenten und Formularen sowie die Koordination von Terminen und mit diversen Ansprechpartnern erleichtert werden. Mithilfe ihres digitalen Profils können Nutzer nach der Registrierung Dokumente und Daten zentral verwalten. Dabei entscheiden sie selbst, welche Institutionen und Organisationen Zugriff auf die Unterlagen hat. Zudem haben User die Möglichkeit, persönliche Ziele oder Aufgabenstellungen zu definieren. In ihrem Account können sie diese Zielsetzungen anschließend verfolgen bzw. modifizieren. Eine Verbesserung der Kommunikation zwischen den einzelnen Parteien ist dabei der Anspruch des Portals. Das wiederum kann zu einer wesentlich effizienteren Bearbeitungszeit auf beiden Seiten führen. Eine Plattform wie „sociallook“ kann jedoch nur funktionieren, wenn sich das bestehende Netzwerk stetig erweitert.

Erste Versuche sind vielversprechend

Was wir heute mit Sicherheit sagen können, ist, dass die Digitalisierung und die Plattform-Ökonomie in wenigen Jahren nahezu alles verändern wird. Wir befinden uns noch am Anfang dieser disruptiven Entwicklung. Die ersten Portalversuche sind vielversprechend. Jedoch liegen die größten Potenziale im Austausch mit den Leistungsträgern der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Daher gilt: Nicht warten, bis andere die neue Logik der Plattform-Ökonomie nutzen, um ihre Spielregeln am Markt durchzusetzen. Leistungserbringer und Leistungsträger sind gleichermaßen gefordert, die neuen Möglichkeiten und Effizienzgewinne in einer fairen Zusammenarbeit auszuschöpfen.

Quelle: sgp-REPORT 16 (2019), S. 18f.