Am 1. Januar 2022 ist der erste Teil der EU-Taxonomie in Kraft gesetzt worden und Gas sowie Atomkraft wurden am 2. Februar unter Auflagen als nachhaltig eingestuft.
Worum es sich bei der EU-Taxonomie handelt, was mit ihr einhergeht und welche Auswirkungen dies für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft haben könnte, werden wir im Folgenden kurz und kompakt für Sie zusammenfassen.
Was ist die EU-Taxonomie?
Bei der EU-Taxonomie handelt es sich um ein Klassifizierungssystem für die Bewertung ökologischer Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens. Unter anderem soll dies zu einer Stärkung des Vertrauens bei Investoren führen, grüne Investitionen transparenter und attraktiver machen, die Anleger vor Greenwashing schützen und insbesondere zum Klimaschutz beitragen.
Kriterien, Ziele und Adressaten der EU-Taxonomie
Um im Sinne der Taxonomie als ökologisch nachhaltig eingestuft zu werden, muss eine wirtschaftliche Tätigkeit
- zu einem der sechs ökologischen Ziele einen wesentlichen Beitrag leisten
- die anderen ökologischen Ziele nicht nachteilig beeinflussen
- soziale Mindeststandards einhalten
Die angesprochenen ökologische Ziele wurden seitens der Europäischen Kommission dabei wie folgt definiert:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen und Biodiversität
Adressaten / berichtspflichtig sind:
- die EU sowie Mitgliedstaaten der EU,
- Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen,
- Unternehmen, die zur Veröffentlichung nicht-finanzieller Erklärungen verpflichtet sind.
Berichterstattungspflichtig sind seit Januar 2022 grundsätzlich Genossenschaften, Kreditinstitute, Finanzdienstleister und Versicherungsunternehmen sowie kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt, die der NFRD (Non-Financial Reporting-Directive) unterliegen. Die Taxonomie-Verordnung bezieht sich somit auf die Anwendungsbereiche der geltenden Corporate Social Responsibility- bzw. Bilanzrichtline.
Verlangt werden im ersten Schritt Angaben zu den Zielen Klimaschutz und Anpassungen an den Klimawandel, welche im Jahr 2023 um die restlichen vier Ziele ergänzt werden sollen.
Wichtig: Zukünftig sind auch kleinere Unternehmen ab 250 Mitarbeitern verpflichtet, über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zu berichten. Die neue Berichtspflicht wird voraussichtlich ab dem Geschäftsjahr 2023 anzuwenden sein.
Bedeutung für die Sozialwirtschaft: Fokus liegt auf ökologischem Fußabdruck
Anhand der derzeitigen Ausgestaltung der Taxonomie lässt sich festhalten, dass aktuell vor allem das „E“ (Environment) in den ESG-Kriterien, welches sich auf den Umweltschutz bezieht, abgedeckt wird. Schließlich sind Maßnahmen wie die energetische Optimierung von Gebäuden, Ausbau zur Gewinnung Erneuerbarer Energien und Reduzierung von Treibhausgasen, die unter Environment fallen, auch jene Maßnahmen, die besonders stark dazu beitragen, der Klimaerwärmung entgegenzuwirken.
Auch wenn Sie als Unternehmen der Sozialwirtschaft nicht den direkten Berichtspflichten unterliegen, so sollten Sie sich trotzdem mit der ökologischen Nachhaltigkeit beschäftigen und Ihren ökologischen Fußabdruck durch energetische Maßnahmen (z.B. Energieeffiziente Sanierung von Gebäuden) verbessern und schauen, wie Sie dies messbar machen sowie Kennzahlentechnisch darstellen können.
Denn klar ist, dass Banken und andere Kapitalgeber bereits jetzt mehr Wert auf Nachhaltigkeit in ihren Bilanzen legen, um den Anforderungen der Taxonomie zukünftig gerecht zu werden. Dies könnte dazu führen, dass in Zukunft auch von sozialwirtschaftlichen Unternehmen gewisse Informationen bzw. Kennzahlen von Banken verlangt werden könnten.
Außerdem ist davon auszugehen, dass Unternehmen, welche sich nicht mit ihrem ökologischen Fußabdruck beschäftigen und Maßnahmen ergreifen, zukünftig einen Wettbewerbsnachteil haben. Denn auch in der Gesellschaft ist Nachhaltigkeit, besonders im Bereich Klimaschutz, angekommen und beeinflusst die Entscheidungen der jeweiligen Kundensegmente.
Soziale Nachhaltigkeit bisher nicht definiert!
In welchem Umfang die soziale Nachhaltigkeit in Zukunft berücksichtigt und seitens der EU definiert werden könnte, bleibt abzuwarten. Sollten jedoch Bereiche wie Bildung, Pflege, Gesundheit oder auch soziale Tätigkeiten unter die soziale Nachhaltigkeit fallen, so kann davon ausgegangen werden, dass dies zu einer erheblichen Aufwertung der Sozial- und Gesundheitswirtschaft führt und sich eine Kapitalaufnahme leichter darstellen lässt.
Vom 14. bis 16. Juni 2022 veranstaltet Vincentz die Altenheim EXPO 2022, bei der Herr Thomas Krummenast von der sozialfinanz.de am 15. Juni 2022 über einen Fachvortrag über die EU-Taxonomie und ihre Auswirkungen auf Betreiber von Sozialimmobilien halten wird.
Wir freuen uns, Sie auf der Veranstaltung an unserem Stand auf der Altenheim EXPO begrüßen dürfen.
Selbstverständlich stehen wir Ihnen auch jetzt schon für Fragen zur EU-Taxonomie zur Verfügung.
Ergänzungsinformationen zu ESG
Die Abkürzung ESG steht für Environment Social und Governance (Deutsch = Umwelt, Soziales & Unternehmensführung). Insbesondere im Bereich der Finanz- / Investitionswelt gewinnt der Begriff ESG zunehmend an Bedeutung und wird mit nachhaltigen sowie sozial verantwortlichen Investoren in Verbindung gebracht.
Grund hierfür ist, dass die ESG-Kriterien nicht nur die finanziellen Aspekte eines Investments betrachten, sondern die Nachhaltigkeit eines Unternehmens und dessen Beitrag zur Gesellschaft in Gänze berücksichtigen und somit neue Bewertungskriterien darstellen.
Die ESG-Kriterien im Überblick
Environment
Beim sogenannten Umweltaspekt wird betrachtet, inwiefern Unternehmen oder Staaten:
- die Umwelt verschmutzen
- Treibhausgase oder Schadstoffe emittieren
- Ressourcen verbrauchen oder Energie effizient nutzen
Vor dem Hintergrund der Klimadebatte steht dieser Teil der ESG-Kriterien besonders im Fokus.
Social
Der Aspekt Soziales bezieht sich auf die Verantwortung von Unternehmen im sozialen Bereich:
- Der Arbeitssicherheit
- Des Gesundheitsschutzes
- Der Achtung von Menschenrechten
und welchen Mehrwert das Unternehmen der Gesellschaft bringt.
Governance (Aufsichtsstrukturen / Unternehmensführung)
Die dritte Bedingung der ESG-Kriterien befasst sich mit der nachhaltigen und verantwortungsbewussten Unternehmensführung, welche interne Prozesse und Werte fördert, um Risiken vorzubeugen. Hierunter fallen Maßnahmen zur Verhinderung von Bestechung, Korruption oder Betrug.