Interview: „Investoren und Anbieter betreuter Wohnanlagen benötigen Planungssicherheit“

02.08.2019 - Altenheim , Baufinanzierung , BetreutesWohnen , Finanzierung , Immobilienfinanzierung , Investition , Pflege , Seniorenwohnen , sozialfinanz.de , Sozialmarktanalyse , Sozialwirtschaft , Studie

Das Betreute Wohnen sieht sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Britta Klemm, Leiterin des Kompetenzzentrums Sozialwirtschaft der BFS Service GmbH, spricht im Interview über die Entwicklung der Versorgungs- und Wohnsituation für Pflegebedürftige.

Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft unterliegt der kontinuierlichen Veränderung und Weiterentwicklung. Die einzelnen Segmente sind fließend und wachsen immer mehr zusammen. Für Betreiber von Einrichtungen sind bereits in naher Zukunft Investitionen in die bauliche Substanz, das Personal sowie das Leistungsangebot nötig, um den aktuellen Herausforderungen adäquat zu begegnen. Anfang dieses Jahres veröffentlichte die BFS Service GmbH zusammen mit dem Kuratorium Deutsche Altershilfe die Ergebnisse der Studie „Betreutes Seniorenwohnen – Entwicklungsstand und Anforderungen an eine zukunftsgerechte Weiterentwicklung“. Im Interview mit dem -Blog erklärt Studienleiterin Britta Klemm den Wert der Ergebnisse und spricht über mögliche Prognosen für die Zukunft.

Frau Klemm, warum haben Sie zusammen mit dem Kuratorium Deutsche Altershilfe das Betreute Seniorenwohnen unter die empirische Lupe genommen?

Für ältere und pflegebedürftige Menschen hat sich die Versorgungs- und Wohnsituation in den vergangenen Jahren enorm geändert. Um die Jahrtausendwende erlebte das Betreute Seniorenwohnen einen starken Ausbau und in vielen Foren wurde über Standards und Umsetzungsherausforderungen diskutiert. In der jüngsten Vergangenheit war Betreutes Wohnen jedoch weniger Gegenstand öffentlicher Fachdiskussionen. Während über andere „neue“ Wohnformen, wie z.B. ambulant betreute Pflegewohngemeinschaften oder Quartierskonzepte, zuletzt vielfältige Studien entstanden sind, gibt es kaum Untersuchungen speziell zum Betreuten Seniorenwohnen. Daher war es für uns schwierig, den aktuellen Stand zu quantifizieren und qualitative Entwicklungen einzuschätzen. Marktbeobachtungen zeigen jedoch, dass auch in diesem Marktsegment viel in Bewegung ist und sich für Betreutes Wohnen in Zukunft große Chancen bieten. Mit unserer Studie dokumentieren wir diese aktuellen Entwicklungen.

Welche Themen standen bei der Studie im Fokus?

Es wurden über 4.500 Wohnanlagen befragt und mehr als 650 Antworten ausgewertet. Mit der Umfrage konnten wir verschiedene Fragen klären: Wie hoch sind die Versorgungsquoten? Wer nutzt das Angebot aktuell? Ziehen überwiegend Einzelpersonen oder eher Paare in das Betreute Wohnen? Welche Angebotsstruktur lässt sich am besten vermarkten? Bei welchen Wohnungsgrößen herrscht die stärkste Nachfrage? Wo liegen die Grenzen der Versorgung? Und welchen Herausforderungen müssen sich Marktakteure stellen?
Das ist ein umfangreicher, aber nötiger Diskurs. Schließlich war es unser Ziel, Branchenakteuren künftig eine validere Planungsgrundlage für neue Projekte zu geben, um dieses Wohn- und Versorgungsangebot noch passgenauer auf die zukünftigen Anforderungen auszurichten.

Wie hoch schätzen Sie den Bestand betreuter Wohnanlagen in Deutschland?

Aktuell schätzen wir den Bestand auf 6.000 bis 7.000 Standorte mit über 300.000 Wohneinheiten – Tendenz steigend. Allein aus demografischer Sicht wächst die Anzahl an Pflegebedürftigen in den nächsten Jahren. Zudem benötigen wir zusätzliche Versorgungskapazitäten, wenn die stationäre Pflege mit Platzzahlreduzierungen auf die steigende Nachfrage nach Einzelzimmern oder eine festgeschriebene Einzelzimmerquote reagiert, wie etwa in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen.

Und wie lautet die Prognose für den Versorgungsbedarf?

Das Bedarfsmodell der BFS Service GmbH ermittelte für das Jahr 2015 einen bundesweiten Bedarf von insgesamt 490.000 betreuten Wohneinheiten. Für konkrete Neubauvorhaben muss allerdings der standortspezifische Bedarf immer regional und kleinräumig betrachtet werden. Hierbei kommt es besonders darauf an, die vorhandenen Angebote detailliert zu beleuchten. Je nach konzeptioneller Ausgestaltung greift das Betreute Wohnen erfahrungsgemäß auf eine ähnliche Zielklientel wie die stationäre Pflege.

Was sind die Hauptmerkmale des Betreuten Seniorenwohnens, insbesondere mit Blick auf die Organisationsstruktur?

Das Betreute Seniorenwohnen zeichnet sich vor allem durch seine Konzeptvielfalt aus, sodass sehr verschiedene Organisationsformen existieren. Das sogenannte solitär Betreute Wohnen ist eine nicht mit anderen Einheiten verbundene Wohnanlage und macht ein Viertel an der Gesamtzahl aus. Dagegen befinden sich Heimverbundende Betreute Wohnanlagen in unmittelbarer Nähe zu Alten- und Pflegeheimen. Bewohnerinnen und Bewohner haben somit die Möglichkeit, entsprechende Leistungen aus den Pflegeeinrichtungen zu nutzen. Etwa zwei Drittel aller Wohnanlagen ist so strukturiert. Integriertes Betreutes Wohnen bietet wiederum vielfältige Unterstützungsleistungen in der Wohnanlage und macht ebenfalls einen großen Teil des Bestands aus. Zunehmend entwickeln sich außerdem Angebote im Betreuten Wohnen die in der Versorgungstiefe der stationären Pflege nicht nachstehen und durch eine 24-Stunden-Betreuung ein ähnliches Leistungsspektrum anbieten.
Vielfalt bedeutet sowohl Gestaltungsmöglichkeiten als auch Herausforderungen für die Betreiber betreuter Wohnanlagen. Wer sind die Träger dieser Einrichtungen?
Zwei Drittel aller betreuten Wohnanlagen werden von frei-gemeinnützigen Trägern umgesetzt, rund ein Viertel befindet sich in privat-gewerblicher Trägerschaft und lediglich 5,4 Prozent werden von Kommunen angeboten.

Abb. 1: Trägerstruktur betreuter Wohnanlagen 2018

Quelle: KDA/BFS-Studie Betreutes Seniorenwohnen 2019

Wie bewerten Sie die Entwicklung bei den Neukunden, wenn Sie die Struktur der Bewohnerschaft analysieren?

Die Studie hat ergeben, dass die Bewohnerschaft im Betreuten Wohnen überwiegend allein lebt, eher hochaltrig und vielfach gesundheitlich eingeschränkt ist. Aktuell scheint es so, dass sich von vorneherein immer mehr Menschen dieser Zielgruppe für eine solche Wohn- und Versorgungsform interessieren.

Für potenzielle Träger ist der Faktor Refinanzierung ein wichtiger Aspekt. Was sind die Ankerpunkte beim Betreuten Seniorenwohnen?

Zur Refinanzierung der Kosten sind für die Betriebsträger vor allen Dingen die Auslastung der jeweiligen Wohnanlage und Einnahmen durch die Miete bzw. den Sozialhilfeträger entscheidend.

Ein Blick in die Glaskugel: Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für Wohnanlagenbetreiber?

Wie bereits erläutert, gehen wir davon aus, dass die Bewohnerschaft in Zukunft eher hochaltrig und stärker pflegebedürftig sein wird. Für diese Menschen muss das Leistungsangebot weiterentwickelt werden. Betreiber sind besonders nachhaltig aufgestellt, wenn sie, immer auch mit Blick auf die regionale Nachfrage, das gesamte Spektrum an Pflegeleistungen aus einer Hand anbieten können:
Wie unsere Studie ergeben hat, sieht vor allem ein Drittel aller Anbieter in der Integration weiterer Leistungsbausteine eine besondere Herausforderung. Es bedarf dringend der Auswertung von Erfahrungswerten, wie die Kombination von anderen Leistungsbausteinen gelingen könnte, die es Anbietern ermöglichen, diese Erkenntnisse auf ihre Einrichtung zu übertragen. Durch die unterschiedliche Konzepttypen lassen sich kaum einheitliche Qualitätsmerkmale definieren. Daher gilt es für Investoren und Anbieter, vor allem Planungssicherheit bei der bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Leistungsangebote zu schaffen. Eine strategische Herangehensweise mittels einer standortbezogenen Analyse trägt einen elementaren Teil dazu bei.

Informationen zur Person:
Britta Klemm ist seit 2011 bei der BFS Service GmbH beschäftigt. Sie leitet dort das Kompetenzzentrum Sozialwirtschaft, das die Bereiche Sozialmarktanalyse und Research umfasst. Die Pflegeexpertin ist bundesweit als Referentin und Autorin tätig. Ihre Schwerpunkte sind die Strategieberatung, die Weiterentwicklung neuer Wohnformen und die Konsultation von Trägern stationärer Einrichtungen.

Weiterführende Informationen zur Studie

Neues aus der Finanzkiste – Folge 4: Das Kartenhaus

26.06.2019 - Digitalisierung , Finanzberater , Finanzierungsportal , Finanzkiste , Kreditberater , Kundenanfragen , Netzwerk , Partner , Partnervermittlung , sozialfinanz.de , Sozialwirtschaft , Vergleichsportal , Vermittlingsportal

Trostlose Stille herrscht im Büro der Deutschen Finanzkisten AG – schon seit einiger Zeit sinnieren Otto Planlos und Waldemir Staubig über neue Wege der Kundenakquise. Doch warum weiterhin störende Kundenanrufe entgegennehmen, wenn es effizientere Lösungen wie Vermittlungsplattformen gibt?

In der vierten Folge von „Neues aus der Finanzkiste“ schlagen Planlos und Staubig neue Wege ein: Die ehemaligen Gegner der GmbH werden abtrünnig und beginnen die Vorzüge der kostenlosen Beratungs- und Vermittlungsstelle zu sehen. Planlos hat die Idee für eine geschäftliche Partnerschaft mit dem Finanzierungsportal; eine Partnerschaft, von der sich der Youngster zusätzliche Kundenanfragen verspricht. Sofort bricht die Ruhe in sich zusammen – wie ein Kartenhaus…

“Die Besonderheiten der Sozial- und Gesundheitswirtschaft berücksichtigen.”

29.01.2019 - Finanzberater , Finanzierung , Finanzierungsportal , Finanzierungsvergleich , Gesundheitswirtschaft , Kreditvermittler , Plattformökonomie , sozialfinanz.de , Sozialwirtschaft , Vermittlungsportal

Im Interview erklärt Edward Poniewaz, Geschäftsführer der sozialfinanz.de GmbH, wie das Finanzierungsportal einen Mehrwert schafft und warum insbesondere Entscheider mit einem Finanzierungsvorhaben in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft einen verlässlichen Partner benötigen.

Im November des vergangenen Jahres ist an den Start gegangen. Was waren die Argumente für die Gründung einer weiteren Plattform?

Edward Poniewaz: Natürlich gibt es bereits Plattformen, die Finanzierungen vermitteln. Diese agieren jedoch branchenübergreifend und sind eher reine Kreditvermittler, die Unterlagen sammeln und ohne Aufbereitung weiterleiten. Daher sahen wir die Notwendigkeit, speziell für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft eine Plattform zu entwickeln, die die Besonderheiten der Sozial- und Gesundheitswirtschaft berücksichtigt. Vor dem Hintergrund unserer langjährigen Erfahrung wissen wir, dass Vorhaben in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft komplex sind, enorm viel Zeit kosten und dass Kunden genau diese Zeit fehlt, um die Dinge adäquat vorzubereiten, geschweige denn mehrere Banken aufzusuchen.

Was ist das Einzigartige für Kunden von ?

Edward Poniewaz: Das hohe Maß an Branchenexpertise macht uns besonders. Wir sind keine reine Vermittlungsplattform, sondern bereiten mit den Kunden die Unterlagen gemeinsam auf. Bei Bedarf und auch auf Wunsch ergänzen wir diese u.a. mit Verkehrswertgutachten, Standort- und Wettbewerbsanalysen. Wir bieten nicht nur die Vermittlung an, sondern punkten mit einer hohen Expertise in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft.

Wie darf man sich den Workflow vorstellen?

Edward Poniewaz: Unsere Finanzierungsberater kennen sowohl die relevanten Themen und Herausforderungen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft als auch die Prozesse und Kreditstrategien der Finanzdienstleister. Nachdem eine Kreditanfrage über eingestellt wurde, treten wir mit dem Kunden in Kontakt, um das Vorhaben im Detail zu besprechen. Die eingereichten Unterlagen werden auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft. Anschließend fassen unsere Finanzierungsberater die wichtigsten Parameter zusammen und bitten damit die Partner um die Abgabe eines indikativen Angebotes. Die eingehenden Angebote werden mit den Wünschen des Kunden (z. B. Kreditsumme, Laufzeit, etc.) abgeglichen und dem Kunden zur Verfügung gestellt. Entscheidet sich der Kunde für eines der Angebote, so übermitteln wir dem Finanzierungspartner die vollständigen Kreditunterlagen und stellen den Kontakt zwischen den beiden Parteien her. Somit fungieren wir auch als Kommunikatoren zwischen den Parteien.


“Wir wollen diese beiden Branchen zusammenbringen, um für sie gleichermaßen Mehrwert zu schaffen.”

Edward Poniewaz


Lädt der Kunde lediglich seine Unterlagen hoch und erhält irgendwann die Angebote zum Vergleich?

Edward Poniewaz: Kunden werden von uns in dem Maße betreut, wie sie es individuell wünschen. Zwar ist eine Finanzierungsplattform, über die sich der gesamte Anfrageprozess abbilden lässt, allerdings streben wir auch das Gespräch mit den handelnden Personen an. Unser Anspruch ist es, digital und trotzdem persönlich für unsere Kunden da zu sein.

Das ist die Kundenseite. Welche Vorteile haben Ihre Finanzierungspartner?

Edward Poniewaz: Mit erhalten unsere Finanzierungspartner Zugang zu einer wachstumsstarken Branche. Allerdings ist eine hohe Kompetenz notwendig, um die Vorhaben in der Sozial- und Gesundheitsbranche zu beurteilen. Und hier kommen unsere Finanzierungsberater ins Spiel: Wir kennen die Sozial- und Gesundheitswirtschaft und können Banken und Finanzdienstleistern, die mit uns zusammenarbeiten den fachlichen Input liefern, ohne dass der jeweilige Finanzierungspartner die nötige Branchenexpertise und Vertriebskanäle aufbauen muss.

An welcher Stelle der Wertschöpfungskette sehen Sie ?

Edward Poniewaz: Ich sehe als Schnittstelle zwischen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft und der Finanzierungsbranche. Und genau das wollen wir sein: ein Verbindungsstück. Wir wollen diese beiden Branchen zusammenbringen, um für sie gleichermaßen Mehrwert zu schaffen.